Stuttgarter Zeitung Südwestdeutsche Zeitung 14.7.1998



Der Drei König in Schwäbisch Hall wird ohne Not abgerissen

Barockgebäude stört nach Meinung von OB und Gemeinderat die Entwicklung der Altstadt - Doch Denkmalschützer warnen / Von Martin Geier

Die Würfel sind gefallen, das Schicksal des Brauereigasthofs Drei König ist besiegelt. Im Streit zwischen der Stadt Schwäbisch Hall und dem Landesdenkmalamt hat das Stuttgarter Regierungspräsidium entschieden: der Drei König kann praktisch abgebrochen werden. Daran gelegen ist vor allem der stadteigenen Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft (GWG), die schon lange das alte Gemäuer modernisieren und dann gewinnbringend verkaufen will. Einem regelrechten Abbruch hat Regierungspräsident Udo Andriof als Schiedsrichter zwar nicht zugestimmt, dennoch könnten ¸¸Decken und Außenwände herausgenommen und erneuert'' werden. Dies kommt in Wirklichkeit einem Neubau gleich.

Die Bürgerschaft, die sonst ihrem Unmut über alles und jedes in den Leserbriefspalten der Lokalzeitung Luft macht, hat diese Nachricht äußerst gelassen aufgenommen. Dies entspricht auch dem Tenor im Gemeinderat, dessen bürgerlicher Block dem seit gut einem Jahr amtierenden Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim inzwischen näher- steht als die Sozialdemokraten, die ihn von Brüssel nach Hall geholt hatten. ¸¸Endlich frischer Wind in den reichsstädtisch-selbstgefälligen Mief'', denken viele Eingesessene und reiben sich die Hände. Endlich werde auch Hand an heilige Kühe gelegt, und das ist in Alt-Hall allemal der Denkmalschutz. Mehr als drei Jahrzehnte war er Chefsache, galt Bewahrung des kulturellen Erbes als einer der Eckpfeiler städtischer Politik. Wenn von dort signalisiert wird - und dies bereits in den ersten Amtstagen -, daß man das 150 Jahre alte, denkmalgeschützte und mittlerweile leerstehende Gefängnis am liebsten abbrechen wolle und jetzt, sozusagen als Vorgeschmack, den Abriß des Drei Königs betreibt, dann schrillen bei den Denkmalschützern die Alarmglocken.

Denn Schwäbisch Hall gehört nicht nur zu den reichsten Städten im Lande, es zählt auch zu den schönsten. Und zwar, weil es auf Schritt und Tritt lebendige und ablesbare Geschichte vermittelt. Die Vorgänger Pelgrims haben sich immer gescheut aus Angst vor den Scherben, in dieses sensible Altstadtgefüge einzugreifen. Warum nun wollen die Denkmalschützer das Gebäude doch noch retten? Der Drei König ist ein dreigeschossiger Barockbau aus dem 18.Jahrhundert und steht sozusagen am Eingang der Neuen Straße, die nach dem Stadtbrand freie Sicht von der Henkersbrücke bis zum höher gelegenen Marktplatz bot. Aus ¸¸heimatgeschichtlichen und künstlerischen Gründen'' wollten die Konservatoren das Gebäude mit anliegender Brauerei erhalten wissen.

Daß an dem Fachwerkhaus in stadtbildprägender, exponierter Lage viele Erinnerungen hängen, ist für dessen Erhaltungswürdigkeit zwar zweitrangig. Trotzdem verbinden sich mit Denkmalen immer Emotionen, und sei es die vom ¸¸Stinkgäßsle'', das hinter dem Drei König zum Mädchengymnasium führte.

Die Haller Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft, die nicht weiß, wohin mit ihren Aberhunderten von Häusern und Wohnungen, konnte - und vor allem wollte - mit dem seit mehr als einem Jahr leerstehenden Drei König nichts anfangen. Der neue Drei König soll wieder eine Wirtschaft beherbergen und Praxen und Wohnungen in den Obergeschossen aufnehmen. Weil in einem Raum, so argumentiert die GWG, die Deckenbalken 70 Zentimeter durchhängen, sei es für die Eigentümerin - die Stadt - unzumutbar, den alten Drei König zu erhalten. ¸¸Was in Hall passiert ist, ist unglaublich schmerzlich'', meint Landeskonservator Franz Meckes. Die Entscheidung des Regierungspräsidiums will er nicht kommentieren, verweist jedoch auf die Gesetzeslage. Danach werde von einem öffentlichen Denkmaleigentümer mehr verlangt als von einem privaten. Wie verhalte sich denn die Stadt Hall als untere Denkmalschutzbehörde, wenn ein Privatmann seinen unbequemen Altbau abreißen will?

Signalisiert der Fall des Drei Königs eine Wende in der Haller Denkmalpolitik? Wird hier ohne Not ein Präzedenzfall geschaffen? Mit welchen Argumenten wollen der Oberbürgermeister und der Gemeinderat künftige Abrißbegehren verhindern? Pelgrim ist zu kurz in der Stadt, um begreifen zu können, daß eine solche Innenstadt über Jahrhunderte gewachsen ist und das scheinbar Zufällige einem großen tradierten Wissen der Altvorderen entspringt. Daß Pelgrim die Ärmel hochkrempelt und die Dinge anpackt - das wird überall mit großer Erleichterung gesehen. Nur taugt die Haller Altstadt nicht für Fingerübungen.

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