Stuttgarter Zeitung Stuttgart 9.6.1998

 

Ansiedelung in Hohenheim macht Probleme

Mieter wollen Villa nicht für Privatuniversität räumen

Betroffene Professorenfamilien verärgert: Bisher offiziell noch nicht von Beschluß informiert - Stadt setzt auf ¸¸einvernehmliche Lösung'' / Von Inge Jacobs

Liza G. kann es nicht fassen, daß in der Wohnung, in die sie vor zwei Jahren mit ihrem Mann und den beiden schulpflichtigen Kindern hingezogen ist, demnächst Studenten der geplanten Privatuni hier ihre Vorlesungen hören sollen. Auf Anfrage berichtet die Frau eines Hohenheimer Professors, daß weder ihre noch die andere, im Haus wohnende Professorenfamilie bisher von offizieller Seite von dem Standortbeschluß für die Privatuni informiert worden sei. Lediglich um die Faschingszeit herum habe der Hohenheimer Unikanzler Elgar Roedler die beiden in der unter Denkmalschutz stehenden ¸¸Präsidentenvilla'' wohnenden Familien darauf hingewiesen, daß sie sich möglicherweise auf einen Umzug einrichten müßten. Alles andere hätten sie aus der Zeitung erfahren. Um der Kinder willen, die gerade Fuß gefaßt hätten, wolle man nicht schon wieder umziehen, argumentiert Liza G. Zudem habe das Staatliche Vermögens- und Hochbauamt Stuttgart als Vermieter sich ein auf mindestens zehn Jahre angelegtes Mietverhältnis ausbedungen, man selbst habe daraufhin einiges in die 230 Quadratmeter große Wohnung investiert. Aus Rücksicht auf das Privatuni-Projekt, das sie und ihr Mann für durchaus wünschenswert hielten, auch seine Ansiedelung in Stuttgart, hätten sich die Familien bisher trotz ihrer Verärgerung zurückgehalten. Aber als Mieter wollten sie sich im Rahmen des geltenden Mietrechts ¸¸schon wehren''. Liza G.: ¸¸Es wäre höchste Zeit, daß mal irgend jemand mit uns redet.''

Volkmar Mürdter, stellvertretender Leiter des Staatlichen Vermögens- und Hochbauamts, berichtet auf Anfrage, bisher sei das Amt noch nicht damit beauftragt worden, die Mietverhältnisse zu kündigen. Dies sei rechtlich wohl auch wenig erfolgreich. Stattdessen werde nun wohl eine einvernehmliche Lösung mit den Familien ¸¸im Zuge eines vernünftigen Auflösungsvertrags'' angestrebt. Wenn dies geschehen sei, benötige man noch eine Zweckentfremdungsgenehmigung. Dies sei Sache der Stadt. Am Mittwoch sollen Details in der Zusammenarbeit zwischen Privatuni und Stadt geklärt werden.

Ein weiteres Problem sei, daß das Gelände in der Nachbarschaft der ¸¸Präsidentenvilla'', auf dem die Stadt später die Neubauten für die Privatuni bauen will (wir berichteten), unter Landschaftsschutz stehe. Dies bedeute ein Bauverbot. Bisher, etwa als das Land sein eigenes Gelände habe bebauen wollen, habe die Stadt den Landschaftsschutz sehr ernst genommen und sich gegen eine Nutzungsänderung ausgesprochen. - Der Landschaftsschutz ist aus Sicht von Reinhard Schlossnikel, dem Leiter der Stabsstelle des Oberbürgermeisters, nicht das größte Problem. Denn der Gemeinderat habe bereits bei seinem ersten Beschluß zur Privatuni grundsätzlich sein Einverständnis zu Neubauten in Nachbarschaft zur Präsidentenvilla signalisiert. Zwar könne man Einsprüche gegen einen Eingriff ins Landschaftsschutzgebiet nicht ausschließen, das werde aber, so Schlossnikel, ¸¸sicher keine solche Hängepartie wie die Messe''. Schlossnikel versichert, ein Hochhaus werde an dieser Stelle nicht gebaut, und man werde bei der Bebauung besonders auf die Landschaftsverträglichkeit achten. Bisher ziehen dort, auf dem sogenannten Grabeland, Stücklesbesitzer ihr Gemüse. Sie hätten jedoch alle nur kurzfristige Pachtverträge.

Auf die insgesamt 500 Quadratmeter große Villa wolle man wegen ihres Ambientes nur ungern verzichten. Sie sei ¸¸wünschenswert, aber nicht lebenswichtig für die Privatuni'', so Schlossnikel. Falls die Villa aber zum Studienbeginn im Herbst 1999 nicht beziehbar sein sollte, müsse der Studienbetrieb für die privaten Studenten eben wie die Verwaltung der Privatuni auch im Plieninger Bezirksrathaus starten - oder in Seminar- und Vorlesungsräumen der Uni Hohenheim. Schlossnikel: ¸¸Hier wird man im ersten Jahr ein bißchen improvisieren müssen.'' Im Laufe des Jahres 2000 werde die Stadt den ersten, 2000 bis 3000 Quadratmeter großen Bauabschnitt für die Privatuni fertigstellen, im Endausbau sollen es um die 6000 Quadratmeter sein. - In punkto Villa wolle OB Schuster sich demnächst mit den Mietern zusammensetzen und ihnen eine einvernehmliche Lösung vorschlagen.