StZ Südwestdeutsche Zeitung 09.05.1998

 

Verfallene Reste ehrwürdiger Bauten ins Museum?

Auch im Landtag wird Denkmalschutz kaum mehr als staatliche Hoheitsaufgabe begriffen / Von Martin Geier

Wann immer polemisiert wird, ein Fünkchen Wahrheit steckt doch in den polternd oder süffisant vorgetragenen Gedanken. Claus Schmiedel (SPD) hat der Landesregierung vorgeschlagen, statt 30 Millionen Mark für ein Haus der Geschichte auszugeben, dieses Geld wieder auf den um die Hälfte geschrumpften Etat für die Denkmalpflege draufzusatteln. Damit würde sich dieser Neubau sozusagen erübrigen. In der Landtagsdebatte über den Situationsbericht des Wirtschaftsministeriums zum Denkmalschutz zog Schmiedel das Fazit, daß bei anhaltendem Sparkurs und einem gewissen Stillstand bei der Förderung die Trümmer der zerfallenden Denkmale dann im Haus der Geschichte bewundert werden können.

Das konnte das Ministerium so nicht stehen lassen. Staatssekretär Horst Mehrländer (FDP) konterte ebensowenig überzeugend wie lapidar: Die Sparmaßnahmen des Landes seien nicht das Ende des Denkmalschutzes in Baden-Württemberg. Dabei spricht der auf Antrag der SPD-Fraktion erstellte Bericht von Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) eine eigene Sprache. Er zeigt vor allem, wie weit sich die Landesregierung von der seit Schinkel geltenden grundsätzlichen Einstellung entfernt hat: Denkmalschutz ist Hoheitsaufgabe und unterliegt der Fürsorge des Staates. Davon steht kein Wort in Dörings Rapport, dem die Ohren klingen müßten, sollte er ihn je tatsächlich auch studiert haben - weil er kontraproduktiv zur Wirtschaftspolitik des Ministers steht. Die Sparmaßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen führen nämlich dazu, daß auf Jahre hinaus kein Pfennig mehr für weitere Denkmal- und Sanierungsfälle ausgegeben werden kann. Die vorhandenen 30 Millionen Mark sind - auf diesen Zeitraum verteilt - durch Verpflichtungsermächtigungen bereits ¸¸ausgegeben''. Das bittere Resümee Dörings: Besonders im mittelständischen Baugewerbe sind Arbeitsplätze in nicht unerheblichem Umfang gefährdet. Bei Spezialfirmen kam es schon zu Betriebsschließungen.

Nach Bayern sei Baden-Württemberg mit 80000 bis 90000 Denkmalen das Bundesland mit den meisten Denkmalen; von denen sind allerdings erst zwei Drittel in Listen erfaßt worden. Die Zahl der archäologischen Denkmale, von denen die meisten noch unter der Erde liegen, wird auf 60000 geschätzt; davon stehen 24100 in einer Liste. Weil Rettungsgrabungen seit zwei Jahren nur noch bedingt möglich sind, geht Döring in seinem Bericht davon aus, daß ¸¸wichtige Fundstellen von großer wissenschaftlicher Bedeutung ohne Dokumentation und Erforschung zerstört werden''. Dies sei ein ¸¸hoher Verlust für die Landesgeschichte''.

Winfried Kretschmann von den Grünen nannte diese Bilanz das Ergebnis der Deregulierungspolitik der Regierung, die wirtschaftspolitisch ¸¸eine Torheit ersten Ranges'' sei. Da eine Mark staatlicher Förderung im Denkmalschutz acht Mark an privaten Investitionen nach sich ziehe, verstehe er ihn als wirksame regionale Wirtschaftsförderung. Als Beispiel nannte er die Restaurierung von Schloß Aulendorf, bei der 80 Handwerksbetriebe aus der Umgebung mitgewirkt hätten. Kretschmanns Schlußfolgerung: die Denkmalpolitik Dörings sei ¸¸verantwortungslos''.

Das sah Rosely Schweizer (CDU) nicht so und schien über die Entwicklung eher froh zu sein, weil nicht mehr jeder vor 1900 gebaute Schuppen unter Schutz gestellt würde. Friedrich-Wilhelm Kiel (FDP) hieb in die gleiche Kerbe, indem er auf kostspielige Luxusrestaurierungen in der Vergangenheit hinwies, die jetzt nicht mehr möglich sind. Zwischenrufe Schmiedels (¸¸Nennen Sie mir nur ein Beispiel.'') überhörte der Fellbacher Oberbürgermeister geflissentlich. Anspielend auf den Hinweis, daß im Landesdenkmalamt seit 1993 zwanzig Personalstellen abgebaut wurden, überlegte Frau Schweizer, ob man von jedem Konservator einen Tätigkeitsnachweis anfordern sollte. Sei die Stelle überflüssig, könnte man mit dem eingesparten Salär Denkmale fördern.

Konsequent weiterdenkend könnte man dann alle 239,5 Stellen bei der Behörde streichen. Denn dann hätte man wieder das Förderniveau erreicht wie zu den goldenen Zeiten der CDU-Alleinregierung.