StZ sonstige Kreis-Seiten 05.05.1998

 

Archäologen werden bei der Auswertung der Ausgrabungen von Walheim fündig

Erstmals Kastell einer römischen Transporteinheit entdeckt

Vom Standard abweichende Form, ungewöhnliche Innenbauten und ein eigenes Badegebäude zeugen von dem besonderen Charakter des Lagers

WALHEIM, Kreis Ludwigsburg. Archäologen machen manchmal bedeutende Entdeckungen bei ihren Ausgrabungen. Manchmal aber auch erst danach, wenn die Befunde und Funde in langwierigen, mühsamen Untersuchungen im Detail ausgewertet werden. So auch in Walheim, wo im vergangenen Jahrzehnt die militärische und zivile Vergangenheit zur Römerzeit erkundet wurde. Nun ist dort, nachträglich, ein ungewöhnliches, bisher einzigartiges Römerkastell entdeckt worden, das ein ganz neues Licht auf die römische Besetzung des Landes wirft und auch für einige andere Römerkastelle völlig neue Deutungen nahelegt.

Weil die wissenschaftliche Erforschung des am weitesten ausgegrabenen Lagerdorfs neben den beiden Kastellen von nationaler Bedeutung ist, übernimmt die Deutsche Forschungsgemeinschaft fünf Jahre lang die Kosten der Auswertung der archäologischen Grabung. Auch die Wüstenrot-Stiftung steuert Mittel bei, denn das Landesdenkmalamt könnte dies nicht finanzieren.

Das Kastell II (die Nummer I liegt unterdem Ortskern von Walheim und ist 2,1 Hektar groß) wurde 1982 beim Bau der B 27 entdeckt und ist in den Jahren bis 1985 soweit möglich ausgegraben worden. Es ist von zwei bis vier Meter breiten Gräben umgeben, hinter denen sich eine Mauer aus Erde und Holz befand. Dieses etwa 0,6 Hektar große Kastell, so nahmen die Ausgräber damals an, war für eine Vorausabteilung, ein Expeditionskorps, Ende des 1. Jahrhunderts errichtet worden. Zur Jahrhundertwende sei es aufgegeben und durch das größere Kohortenkastell ersetzt worden, in dem römische Hilfstruppen für die Bewachung der Neckargrenze stationiert waren. Damals schon fiel den Archäologen freilich die ungewöhnliche Form des Militärlagers und seiner Innenbauten auf.

Klaus Kortüm und Johannes Lauber, die sich der Auswertung der Grabungsbefunde und -funde angenommen haben, sind nun zu neuen, überraschenden Ergebnissen gekommen. Das Kleinkastell ist keinesfalls älter als das große, sondern ist wie dieses Anfang des 2. Jahrhunderts errichtet und etwa ums Jahr 160 aufgelassen worden. Beide liegen hintereinander an der Römerstraße. Später ist das Lagerareal mit Zivilgebäuden überbaut worden. Im Museum Römerhaus in Walheim ist dies auf Plänen zu sehen.

Die weitere Untersuchung ergab dann, daß in der kleineren, rechteckigen Anlage keine Kampftruppen stationiert waren, sondern eine Transporteinheit. Neben den langgestreckten Unterkünften für die Mannschaften, einem großen Stall für die Zugtiere und Wagenremisen sind in einer ersten Bauphase auch Werkstätten zu erkennen, in denen Waffen repariert wurden und der Bedarf der Soldaten an allerlei Gerät gedeckt werden konnte. Die Transporttruppe hatte vor allem die Aufgabe, Lebensmittel weiträumig heranzuschaffen, nicht nur für das Militär in Walheim, sondern wohl weit darüber hinaus. Offenbar war das Neckarland damals noch dünn besiedelt. Römische Gutshöfe, die sonst die Versorgung der Truppe mit Nahrungsmitteln übernahmen, hat es anfangs hier keine gegeben, so daß die Fourage von weither herantransportiert werden mußte.

In der zweiten Bauphase des Kastells II hat sich das geändert. Aus der befestigten Unterkunft für die Trainsoldaten und Fuhrknechte ist ein bewachtes Zentraldepot, ein Heeresproviantamt für den ganzen Neckarabschnitt, geworden. Eine typische, mehr als 50 Meter lange und fast 20 Meter breite Lagerhalle nahm die Getreidevorräte auf, die nun wohl aus der Nachbarschaft von den inzwischen entstandenen Gutshöfen reichlich angeliefert wurden und die das Fassungsvermögen der kleinen Speichergebäude in den Militärlagern selbst überstiegen. Möglicherweise ist nun auch schon Nachschub mit Neckarschiffen nach Walheim gebracht worden.

Spätestens um diese Zeit ist in dem Trainkastell ein eigenes Badegebäude gebaut worden, was unterstreicht, daß die Besatzung dieses Lagers eigenständig war und mit der Kohorte im Kastell nebenan nichts zu tun hatte. Diese Soldaten hatten ihr eigenes Bad. Auch ist nun ein Wohn- und Amtsgebäude des Depotverwalters nachweisbar. In der dritten Bauphase schließlich lag der Schwerpunkt im Kastell auf den Werkstätten. Damals wurden zwei der vier Tore des Kleinkastells geschlossen. Nur die direkte Verbindung zum Nachbarkastell via Römerstraße blieb erhalten.

Die Entdeckung dieses bisher einzigartigen Nachschubkastells wird die Archäologen nun auch in anderen Fällen, wo es ein größeres und ein kleineres Römerkastell am Ort gibt, zum Überdenken der alten Bewertungen führen. Man hat sie als Lager für Sondereinheiten, wie Spähtrupps, angesehen. Diese Zwei-Kastell-Orte liegen (mit Ausnahme von Rißtissen an der Donau und von Weißenburg in Bayern) alle im nördlichen Landesteil: Neckarburken und Osterburken, Heidelberg und Welzheim. Auch da gibt es separate Strukturen mit eigenständigen Badegebäuden. Doch sind die Indizien dort nicht so klar, weil diese Kastelle nicht mit modernen Methoden ausgegraben worden sind. dka