StZ Feuilleton 11.03.1998

 

Neue Keltenschätze aus dem Glauberg

Kopf einer weiteren Fürstenstatue gefunden - Hessen plant Ausstellung im Jahr 2001

Luftaufnahmen brachten es Ende der achtziger Jahre an den Tag. Sie dokumentierten auf dem Glauberg, rund dreißig Kilometer nordöstlich von Frankfurt, einen Kreisgraben mit einem Durchmesser von siebzig Metern. Die sich farblich von der Umgebung absetzende Fläche auf diesem Teil des Ackers ließ vermuten, der Graben könne einen frühkeltischen Fürstengrabhügel umschließen. Die Erwartungen des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege sollten sich während der Ausgrabungen in den Jahren 1994/95 durch den Fund von zwei mit wertvollen Beigaben ausgestatteten Fürstengräbern aus dem fünften Jahrhundert vor Christus in einer Weise bestätigen, wie es sich kein Archäologe erträumt hatte. Darüber hinaus ließen die Luftaufnahmen ein überdimensionales Monument erkennen, das wegen der zu ihm hinführenden, dreihundertfünfzig Meter langen und zehn Meter breiten, von Gräben begrenzten Prozessionsstraße, so der Landesarchäologe Fritz-Rudolf Herrmann, ¸¸ohne Beispiel in der keltischen Welt ist und nirgendwo einen Vergleich findet''.

Doch damit noch nicht genug der Geheimnisse, die der Glauberg bisher freigab: Einer Sensation gleich kam 1996 der Fund der lebensgroßen Statue eines frühkeltischen Fürsten aus blaßrotem Sandstein in einem ¸¸heiligen Bezirk'' außerhalb des Kreisgrabens. Die bis auf die abgebrochenen Füße vollständig erhaltene, unbeschädigte und etwa 2500 Jahre alte Großplastik mit stilisiertem Gesicht, herabhängendem Schnurrbart, Kinnbart und Blattkrone mißt 1,86 Meter und wiegt 230 Kilogramm. Zahlreiche Fragmente einer zweiten, gleich gestalteten und bereits in antiker Zeit zerschlagenen Statue aus demselben Material ergänzen mittlerweile den einmaligen Fund.

Und nach dem Ende der Ausgrabungen - die Gruben waren längst wieder zugeschüttet worden - legte ein Landwirt im November 1997 bei der Feldbestellung den gut erhaltenen Kopf einer weiteren, den anderen Figuren gleichenden Fürstenstatue aus weißgrauem Sandstein frei. Der Fund wurde jetzt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Spuren der Egge, die das Relikt dem Boden förmlich entrissen hat, waren in der Werkstatt des Landesamtes denn auch deutlich zu erkennen. Nach der bisherigen Planung soll der hessische Keltenschatz erstmals vollständig im Jahr 2001 zu bewundern sein.

Vermutungen, die detailreiche Steinplastik des Fürsten mit herausgearbeitetem Schwert, ovalem Schild sowie Hals-, Arm- und Fingerring sei wegen der ähnlichen Beigaben für einen der beiden Toten auf dem Glauberg dessen Abbild, widerspricht der Archäologe Herrmann. Er glaubt vielmehr, ein ¸¸vergöttlichtes Idealbild'' aus der Zeit vor 2500 Jahren vor sich zu haben. Es deute alles darauf hin, ¸¸daß dieser Bezirk einem Ahnenkult diente''. Dafür sprächen auch die Bruchstücke der völlig gleich gestalteten zweiten Statue.

Sicher ist sich Herrmann in seiner Einschätzung, daß die bisherigen Forschungsergebnisse und auch der Kopf der dritten Statue die starke ¸¸überregionale Bedeutung des Glaubergs und der Fürsten, die von hier aus in frühkeltischer Zeit im fünften Jahrhundert vor Christus ein großes Gebiet beherrschten'', dokumentieren. Der Landesarchäologe ist überzeugt: ¸¸Der Glauberg bildete in der frühkeltischen Welt ein Machtzentrum zwischen Frankreich und Böhmen, wie es noch vor wenigen Jahren niemand hatte vermuten können''.

Was die Experten bisher an Grabbeilagen und Schmuck geborgen haben, ob den 175 Gramm schweren, reich verzierten Goldhalsring, goldene Ringe, eine Röhren- oder eine Schnabelkanne aus Bronze, es läßt für die erste Landesausstellung im Jahr 2001 viel erwarten. Bis dahin dürfte auch die vom Austrocknen bedrohte und fragile Fürstenstatue gereinigt sein, bei der Herrmann nach wie vor wegen der vermuteten Bemalung nach Farbpigmenten sucht. Um die wertvolle Originalstatue in Besitz zu bekommen, hat das Land den Bauern, auf dessen Acker sie geborgen wurde, bereits mit mehr als hunderttausend Mark entschädigt. Heinrich Halbig