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16.08.1997



Tauchgang in die Vergangenheit

Mit Unterwasserarchäologen unterwegs zu versunkenen Schiffen / Von Dieter Kapff

Es beginnt meist mit der Wäscheklammer auf der Nase und dem Schnorchel im Mund. So lernen Kinder das Tauchen. Bald kommen Tauchbrille und Flossen dazu. Es macht Spaß, sich wie ein Fisch im Wasser zu bewegen. Die Schnorchler sind es aber rasch überdrüssig, immer nur knapp unter der Wasseroberfläche schwimmen zu können. In größere Tiefen zu tauchen macht mehr Spaß. Dazu aber bedarf es einer umfangreichen Ausrüstung - und gewisser Kenntnisse. Spätestens dann, wenn der Urlaubs- und Hobbyschnorchler zum Sporttaucher werden will, ist es unerläßlich, an einer Tauchschule entsprechende Kurse zu absolvieren und Prüfungen abzulegen. Eine solide Tauchausbildung, für die man viel Zeit und noch mehr Geld investieren muß, ist kein Luxus. Sie ist lebensnotwendig, denn Tauchen ist kein ungefährliches Hobby. Allein im Bodensee sind in den vergangenen 20 Jahren 26 Menschen bei Tauchunfällen ums Leben gekommen. Am Bodensee ist deshalb ein Arbeitskreis ,,Sicheres Tauchen'' gegründet worden, der Sicherheitsseminare anbietet.

Tauchen als Freizeitsport wird immer beliebter. Nach Fischen und Pflanzen sind die Sporttaucher nun der Vergangenheit auf der Spur. Am Bodensee sollen bald Exkursionen unter Wasser zu archäologischen Fundstellen angeboten werden, eine Unterwasser-Safari unter sachkundiger Führung eines Archäologen. Noch hapert's dafür allerdings am Geld, denn der Etat der Unterwasserarchäologen des Landes ist 1997 fast auf Null geschrumpft.

Bei der Unterwasserarchäologie stößt der Hobbytaucher freilich rasch an Grenzen. Er muß sich aufs Beobachten und Fotografieren beschränken. Denn das Buddeln und Bergen von Funden ist im Wasser wie an Land ohne amtliche Genehmigung nach dem Denkmalschutzgesetz nicht erlaubt. Auf ,,Raubtaucher'' wirft die Wasserschutzpolizei mittlerweile ein strenges Auge.

Will er etwas mehr tun, muß er sich einer archäologischen Tauchgruppe anschließen, die eng mit den Denkmalschutzämtern zusammenarbeitet. Diese Gruppen führen Fortbildungskurse durch, vermitteln die nötigen Fähigkeiten und vor allem Wissen. Denn die Verantwortung eines Archäologietauchers ist groß. Ganz wörtlich genommen: Im Handumdrehen sind jahrtausendealte Zeugnisse der Menschheit unwiederbringlich zerstört oder verloren.

Entsprechend vorgebildete Sporttaucher können auf dem Felde der Prospektion gute Arbeit leisten. Sie sind dann Unterwasser-Scouts, überwachen zerstörungsfrei den Zustand bekannter Bodendenkmale und melden ihre Beobachtungen, auch Entdeckungen, an die zuständige Denkmalschutzbehörde. In Bayern veranstaltet die Bayerische Gesellschaft für Unterwasserarchäologie, die eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege zusammenarbeitet, an Wochenenden Prospektionskurse an Seeuferrandplatten und in Flüssen. Praktische und theoretische Kurse zur archäologischen Fotografie unter Wasser kommen dazu. Aus dem Starnberger See haben Sporttaucher dieser Gruppe ein deutsches Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg, eine Heinkel 111, geborgen.

Spezialkurse in Unterwasserarchäologie bietet auch die Gesellschaft für Schweizer Unterwasser-Archäologie in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unterwasser Sport Verband an. Dabei kann der Sporttaucher gleich die unterschiedlichen Bedingungen für Tauchgänge in stehenden Gewässern (Seen) und in Fließgewässern kennenlernen. Gerade die Strömung in Flüssen bereitet oft erhebliche Schwierigkeiten und erfordert spezielle Methoden und Maßnahmen.

Wieder andere Verhältnisse bestimmen das Tauchen im Meer. Hier sind die Einsatztiefen meist größer. Da wird dann Dekompression nötig. In Mecklenburg-Vorpommern hat es für Sporttaucher ein Info-Wochenende unter dem Titel ,,Unterwasserarchäologie - Denkmalschutz unter Wasser'' gegeben, wo gezeigt wurde, wie man Objekte entdeckt und brauchbare Fundmeldungen schreibt. Gerade an der Ostseeküste, die zu DDR-Zeiten als militärisches Sperrgebiet für Taucher verbotenes Terrain war, greift das Denkmalamt bei der Suche (Prospektion) und gelegentlich auch der Bergung archäologischer Funde, meist versunkener Schiffe, auf verläßliche Sporttaucher zurück, die unter Anleitung eines Profis stehen. Berücksichtigt werden kann freilich nur, wer nicht auf materielle Werte aus ist. ,,Schatztaucher'', die es auf mehr oder weniger wertvolle Funde abgesehen haben, sind ohne Chance. Im Vordergrund steht vielmehr die Dokumentation von Funden und Befunden, weil erst der Zusammenhang weiterführende Erkenntnisse bringt.


© 1997 Stuttgarter Zeitung, Germany

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