StZ Aus Baden-Württemberg 08.09.1997



Jugendstil zum Tag des offenen Denkmals

Am 14. September präsentieren sich in Baden-Württemberg 380 Objekte

mag. STUTTGART. Von der Bauernkate bis zur mächtigen Höhenburg, von der archäologischen Grabung bis zur Fabrikhalle reicht in diesem Jahr das Spektrum zum Tag des offenen Denkmals, der jetzt zum fünften Mal veranstaltet wird. Mit 1900 Städten und Gemeinden in Deutschland ist die Beteiligung um 400 Kommunen höher als letztes Jahr, betont die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Bonn, die das 1991 vom Europarat ins Leben gerufene Ereignis auf nationaler Ebene organisiert. Allein in Baden-Württemberg können an diesem 14. September 380 Kulturobjekte, hundert mehr als im Vorjahr, besichtigt werden, von denen viele sonst gar nicht zugänglich sind. Erstmals wird das Programm über Internet (www.denkmalschutz.de) und per Videotext in allen dritten Fernsehprogrammen angeboten.

Als ,,wichtiges bundesweites Kulturereignis'' bezeichnet die Stiftung den Tag des offenen Denkmals. Deren Vorsitzender Gottfried Kiesow warnt gleichzeitig davor, in Zeiten knapper Finanzmittel, den ,,Denkmalschutz für ein kulturpolitisches Zierat zu halten'', auf das man als erstes verzichten könne. Rudolf Schübert, zuständig für den Denkmalschutz bei der Stadt Baden-Baden, geht es in aller erster Linie darum, den Leuten die Augen zu öffnen und sie zu sensibilisieren für die vielen kleinen Dinge, die ein Denkmal zum Denkmal machen. Nach dem Motto, ,,wehret den Anfängen'', will Schübert in seinem kulturpolitischen wie didaktischen Ansatz zeigen, daß die Veränderung von kleinen Dingen oftmals große Wirkung hat und ein Denkmal seiner einzigartigen Eigenschaften berauben kann. Weil er den European Heritage Day als eine Chance begreift, um eine Botschaft mitzuteilen, überläßt er ihn nicht der Beliebigkeit: er stellt ihn unter ein Thema.

Bereits letztes Jahr sorgte Baden-Baden für überregionale Aufmerksamkeit, als es Kulturdenkmale der letzten Jahrzehnte präsentierte. Dabei war die Privatvilla des verstorbenen Nachkriegsarchitekten Egon Eiermann, der auch als Lehrer für eine ganze Generation prägend geworden war. Besuchergruppen aus allen Teilen Deutschlands hatten sich eingefunden. Nun faßt Schübert unter der programmatischen Namenszeile ,,Billing, Linde, Riemerschmid'' die Jugendstilwerke dieser Architekten in Baden-Baden zusammen. Innerhalb spezieller Führungen werden sowohl die Kunsthalle in der Lichtentaler Allee als auch die katholische St. Bernhardkirche als eine der letzten Beispiele des Jugendstils (1912) vorgestellt. In der Vincenti- und Bernardstraße dann die Villen der Architekten, Billing, Linde und Riemerschmid.

Zum Thema Jugendstil präsentiert sich zweihundert Kilometer entfernt im Hohenloheschen ein außergewöhnliches Denkmal: die von dem in München wie Stuttgart ebenso bekannten Architekten Theodor Fischer erbaute Kirche in Gaggstatt. Innen wie außen ist noch alles original. Bei keinem anderen Gotteshaus aus dieser Zeit läßt sich deshalb so deutlich das ganzheitliche Konzept ablesen, das Fischer in dem heutigen Teilort der Stadt Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) 1904 verwirklicht hat.

Auch die Stadt Ettlingen gibt sich an diesem 14. September einen Rahmen und zeigt Gebäude aus der Zeit der frühen Industrialisierung im Albtal, die sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Besucht werden kann die Buhl'sche Papiermühle, die im 15. Jahrhundert erstmals genannt ist, 1791 in Massivbauweise wiedererrichtet und ein paar Jahre später samt Mühlkanal trockengelegt wurde. Zu sehen auch die Ettlin-Spinnerei, eine sechsgeschossige Fabrikanlage mit Wohnhäusern aus dem frühen 19. Jahrhundert sowie die Kochmühle.

Eine Besonderheit dürfte die Besichtigung des Fernsehturms auf dem Feldberg sein. Er war 1955 der erste Fernsehsender im Schwarzwald und gilt in seiner Konstruktion als einzigartig. In Heitersheim, ebenfalls im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, wird durch die Villa urbana, einen römischen Achsenhof, geführt (2. Jahrhundert n. Chr.), einem sonst in Baden-Württemberg unbekannten Bautyp. Für die Eisenbahnfreunde wird es in Calw nostalgisch, wo am Südbahnhof das älteste erhaltene mechanische Hebelstellwerk der ehemaligen Württembergischen Staatsbahn (1889) bewundert werden kann.

Tübingen bietet neben seinem auch sonst geöffnetem Museum auf Schloß Hohentübingen einen Blick in das schon legendäre Evangelische Stift (1536), der Brutstätte württembergischer Pfarrer und vielzitierter Geistesgrößen wie Hegel, Hölderlin, Schelling, Mörike. Es handelt sich dabei um das ehemalige Augustiner-Eremitenkloster am Klosterberg 2. Auch das Verbindungshaus der Normannia in der Stauffenbergstraße ist außerhalb des Tags des Denkmals für jedermann nicht zugänglich.

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