StZ Kreis Ludwigsburg 02.09.1997



2,6 Millionen Mark teurer Umbau abgeschlossen

Hundertjähriger Bahnhof bewegt sich in ganz neuen Gleisen

Zum Vereinsdomizil umgestalteter denkmalgeschützter Personenbahnhof wird am 13. September seiner neuen Bestimmung übergeben

KORNWESTHEIM. In den hundert Jahre alten Personenbahnhof von Kornwestheim kehrt neues Leben ein. Sieben Vereine und Institutionen haben jetzt in dem Kulturdenkmal ihr ständiges Domizil. Anstelle von Billetts gibt es im zweiten Bahnhof von Kornwestheim nun Ballett einer Tanzschule. Das Städtische Orchester, der griechische Kulturverein, die Kornwestheimer Filmamateure, die Egerländer Gmoi, der Fasnetsverein Krähenhexen und der städtische Streetworker nutzen in friedlicher Koexistenz die 600 Quadratmeter auf vier Stockwerken als ständige Quartiere. Die Übergabe des für 2,6 Millionen Mark von der Stadt umgebauten Komplexes wird am Samstag, 13. September gefeiert. Die neuen Nutzer stellen sich und ihre Räume am Einweihungstag und dem folgenden Sonntag der Öffentlichkeit vor.

Großen Bahnhof ist das Gebäude von jeher gewohnt. Bei der Einweihung am 30. September 1896 hatte sich immerhin der württembergische König Wilhelm II. die Ehre gegeben. Mit der Umgehungsbahn Untertürkheim-Kornwestheim mauserte sich die einstige Haltestation am Langen Feld um die Jahrhundertwende schnell zu einem bedeutenden Bahnhof. Schon im Geschäftsjahr 1909/1910 nahm Kornwestheim im Personenverkehr unter den 590 Bahnstationen Württembergs den 15. Platz ein. 547660 Personen reisten von Kornwestheim an und ab. Im gleichen Zeitraum wurden 58073 Tonnen Güter umgeschlagen, hat Stadtarchivar Marco Nimsch erforscht. Der Ort Kornwestheim hatte damals gerade mal 4000 Einwohner. Der Bahnhof dehnte sich aus. Im Süden wurde eine Gaststätte angebaut, ein nördlicher Anbau beherbergte Diensträume, die inzwischen abgerissen worden sind.

Erst mit dem Bau des neuen Bahnhofs (des dritten in Kornwestheim), der am 10. Oktober 1992 eingeweiht wurde, rückte das Gebäude des Personenbahnhofs vorübergehend aufs Abstellgleis. Im Gespräch war der Ziegelbau jedoch immer geblieben. 1989 kaufte die Stadt das Gebäude von der Bahn, die im geplanten Bahnhofscenter ein Reisezentrum einrichten sollte. Bürgermeister Günther Bareis erinnert sich an langwierige Gespräche. ,,Es ging um viel Geld und viel Technik.'' Die gesamten Fernmeldesysteme und die Signalsteuerung mußten verlegt werden. Fragen nach dem Nebeneinander von privater Nutzung und Bahn mußten geklärt werden. Problematisiert wurde die Nähe zu den Gleisen und den Hochspannungsleitungen. Schließlich wechselte der Bahnhof für zwei Millionen Mark den Besitzer, und die Stadt suchte Nutzer. Für einigen Wirbel sorgte die Verwaltung, als sie per Inserat Interessenten suchte.

Lange war im Gespräch, ob in dem historischen Gebäude das Museum der Eisenbahnerstadt eingerichtet werden sollte. Für die Stadt war die Anlage laut Bareis ,,bei vertretbarem finanziellen Aufwand nicht mit einer Museumskonzeption in Einklang zu bringen''. Große Ausstellungsräume ließ die Statik des hohen schmalen Hauses nicht zu. In fünf Meter Entfernung rauschen regelmäßig die Schnellzüge vorbei. Damit waren die Museumspläne vom Tisch, und die Vereine traten auf den Plan. Ihnen stellt die Stadt die Räumlichkeiten zum ersten Mal nicht umsonst zur Verfügung. Die Clubs müssen zwei Mark Miete im Monat für den Quadratmeter bezahlen.

Der Umbau zur Anlaufstation für Vereine war nicht zum Nulltarif zu haben. Allein die denkmalgerechte Reinigung des Ziegelmauerwerks habe Summen im sechsstelligen Bereich verschlungen, rechnet der Kämmerer vor, der froh ist, daß der Kostenrahmen von 2,6 Millionen Mark eingehalten wurde. Im Umbaufahrplan kam es jedoch zu erheblichen Verzögerungen. Ursprünglich sollte die gelungene Renovierung mit dem hundertsten Geburtstag des Bahnhofs gefeiert werden. Jetzt kommt sie halt mit einjähriger Verspätung. ral

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