STUTTGART 06.09.1997


Zäher Kampf: Stuttgarts wohl ältestes Haus verkommt

Neuer Anlauf im Leonhardsviertel zur Rettung eines Baudenkmals - Das Problem ,,Sissy-Bar'' an der Hauptstätter Straße

VON GERT FACH

Es gilt als das wohl älteste Haus Stuttgarts, steht natürlich unter Denkmalschutz, paßt keineswegs mehr in die aufwendig sanierte Umgebung, und die Stadt kommt trotzdem nicht so recht vorwärts - das Problem mit der ,,Sissy-Bar''.

Prangte das Schild am Haus Hauptstätter Straße 49 nicht weithin sichtbar und würden Autofahrer wie Passanten nicht abends Prostituierte davor stehen sehen, ließe sich die ,,Sissy-Bar'' leicht übersehen. Das Häusle mit dem steilen Giebeldach und der unscheinbaren Fassade zwischen Weber- und Richtstraße am Rand des Leonhardsviertels macht nichts her. Aber es verdient Aufmerksamkeit - vor allem, weil es immer mehr herunterkommt, weniger wegen seiner eindeutigen Nutzung als Teil des Rotlichtviertels. Im Rathaus ist es wahrscheinlich vielen Leuten nicht bekannt, daß es sich hier, nach Einschätzung des Schwäbischen Heimatbundes, ,,wohl um das älteste Haus Stuttgarts'' (Vorsitzender Martin Blümcke) handelt.

Laut Denkmalliste der Stadt ist das Häusle ,,spätestens im 17. Jahrhundert am Rand der Altstadt'' erbaut worden - als Armenhaus. Das gilt weniger für die jetzigen Eigentümer, eine Erbengemeinschaft, die außerhalb Stuttgarts wohnt und am Barbetrieb samt Zimmern ordentlich verdient. Der Pachtvertrag für den ,,altstadttypischen Betrieb'' läuft bis 2006. Reinhard Schäfer, Leiter des Amts für Stadterneuerung: ,,Wir verhandeln mit den Leuten - eine Verkaufsbereitschaft lassen sie nicht erkennen.'' Trotzdem sei man weiter darum bemüht, eine Modernisierung des Gebäudes zu erreichen, heißt es auf eine Anfrage der Rep-Fraktion.

Und wie steht es mit einem im Baugesetzbuch geregelten Gebot, dieses Baudenkmal in Ordnung zu bringen und der mit großem Aufwand sanierten Umgebung anzupassen? Schäfer: ,,Ich bin nicht sicher, ob wir dafür eine Mehrheit im Gemeinderat bekommen.'' Aber es gibt keinen Zweifel: ,,Das Gesetz greift, wenn eine bauliche Anlage Mißstände aufweist.''

Wahrscheinlich war ursprünglich sogar die Stadt Bauherr dieses Armenhauses - als Trägerin der Armenfürsorge. Damals durften Durchreisende dort eine Nacht verbringen - heute wird der Aufenthalt höchstens in Stunden berechnet.

Der Wert des Gebäudes ist für Wolfgang Mayer, Denkmalpfleger der Stadt, unstrittig: ,,Wesentliche Raumstrukturen sind im oberen Teil noch erhalten, auch ein fein ausgestaltetes Sichtfachwerk.'' Nach Prüfung der Räume sagt Mayer: ,,Bedauerlich, daß es so heruntergewirtschaftet wird.'' Es könnte ,,ein Kleinod'' werden, sagt Amtsleiter Schäfer - auch dank öffentlicher Mittel, um Nachteile für die Eigentümer auszugleichen. Martin Blümcke vom Heimatbund, der wenige Meter entfernt seine Geschäftsstelle in einem Baudenkmal eingerichtet hat: ,,Uns ist jede Initiative recht, wenn es sich zum Besseren wendet.'' Nachbarschaftliche Probleme gebe es jedoch mit dem Altstadtlokal nicht.

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