Stuttgarter Zeitung sonstige Kreis-Seiten 18.9.1998



Ein Keltengehöft ergänzt das Museum

Langzeitarbeitslose Zimmerleute errichten das größte prähistorische Haus

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EBERDINGEN-HOCHDORF. Als ideale Ergänzung zum Keltenmuseum in Hochdorf (Kreis Ludwigsburg) entsteht derzeit unter freiem Himmel gleich daneben ein keltisches Gehöft, getreu den Ausgrabungsergebnissen aus den Jahren 1989 bis 1993.

Von Dieter Kapff

In dem Strohgäuort war 1978 das spätkeltische Fürstengrab aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert ausgegraben worden. Die sensationellen Funde hatte man damals zum Anlaß genommen, vor Ort ein Keltenmuseum einzurichten. Bei den Bauarbeiten zum Museum sind die Archäologen auf Teile einer keltischen Siedlung aus der Zeit um 450 vor Christusgestoßen. Und schon damals, 1991, war die Idee geboren worden, das Keltenmuseum durch ein Freilichtmuseum zu ergänzen, das veranschaulicht, wie die Menschen damals gelebt haben.

Nun wird die Idee in die Wirklichkeit umgesetzt. Dabei geht man genau nach dem prähistorischen Bauplan vor. Nachgebaut werden, wie Museumsleiter Tiberius Bader erklärte, das größte bekannte prähistorische Haus, das 140 Quadratmeter Fläche hat, ein Speichergebäude, ein Werkstattgebäude, das in die Erde eingetieft ist (ein sogenanntes Grubenhaus) und ein Erdkeller, in dem die keltischen Bewohner ihre Vorräte kühl und feucht lagerten. Die Einzäunung des Gehöfts wird aus Kostengründen nur auf ein kurzes Stück in ,,echter'' Form, als Flechtwerkzaun oder als Palisade, ausgeführt. Errichtet werden ferner drei Öfen: ein Backofen, ein Töpferofen und ein Schmelzofen für die Metallverarbeitung. Geplant ist auch die Anlegung eines kleinen botanischen Gartens mit Pflanzen und Kräutern der Keltenzeit.

Außer dem Grundriß sind die Baudetails nicht verbürgt, weil nirgendwo ein keltisches Haus erhalten ist. Aus den Grabungsbefunden lassen sich jedoch Einzelheiten der Konstruktion erschließen. Das eingeschossige, bis zum Dachfirst neun Meter hohe Wohnhaus war durch zwei Stützbalkenreihen dreischiffig, hat an der Nordostseite einen Eingang und im Osten einen schmalen Vorraum. Das Dach ist sehr hoch und steil. Gedeckt wird es mit Roggenstroh, das - insgesamt 70 Kubikmeter - aus Polen eingeführt wird. Die Wände sind aus Eichenbohlen, die mit Moos und Lehm abgedichtet werden. Der Fußboden besteht aus gestampftem Lehm. Ob ein Herd eingebaut werden soll, steht noch nicht fest. Einerseits wäre es für die Konservierung des Daches gut, andererseits ist die Brandgefahr groß. Der große Raum wird nicht möbliert werden, denn auch hier gilt: nichts Genaues ist bekannt. Und ein Disneyland ist unerwünscht. Der große Raum eignet sich für Vorträge und museumspädagogische Veranstaltungen.

Nachdem es bei der Suche nach Bauarbeitern und Material in den vergangenen zwei Jahren große Probleme gegeben hatte, geht das Werk nun zügig voran. Im Mai haben vier langzeitarbeitslose Zimmerleute unter Anleitung zweier Spezialisten aus dem polnischen Biskupin mit dem Aufbau des großen Hauses begonnen. Zum zweiten Keltenfest, Ende Juni 1999, soll das Gehöft fertig sein.

Die Baukosten belaufen sich auf 549.000 Mark, wobei die Gemeinde die Grundstückskosten in Höhe von 229.000 Mark trägt. Zweitgrößter Posten sind die ABM-Mittel für die Zimmerleute, die 152.000 Mark ausmachen. Vom Förderverein sind 40.000 Mark eingeplant, und der Rest muß mit Spenden und Sponsorengeldern aufgebracht werden, wobei Bürgermeister Rolf Fetzer schon 90.000 Mark beisammen hat.

In den letzten Zügen liegt die Lehrgrabung am Südrand des Fürstengrabhügels, an der in drei Kursen 60 Interessierte teilgenommen hatten. Entdeckt wurden dabei keltische Siedlungsreste. Besonders interessant sind fünf zwei mal einen Meter messende Feuergruben, in denen wohl ein ganzes Kalb gegart werden konnte. Naturwissenschaftliche Untersuchungen laufen noch. Grabungsleiter Jörg Biel bringt diese Gruben in Verbindung mit den Bestattungsfeierlichkeiten für den toten Keltenfürsten. Festmahle und Besäufnisse zu solchen Anlässen sind aus der Antike schriftlich überliefert. Die Ausgrabungen gelten aber vor allem der Frage, wo das Dorf des Keltenfürsten gelegen hat, wie großes war und wie es sich entwickelt hat.

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