Stuttgarter
Nachrichten
Region Stuttgart 30.10.1999



Kelten liebten Kleidung in leuchtenden Farben

Eine Doktorarbeit bringt es an den Tag: textile Meisterwerke im Hochdorfer Keltengrab

Es hat sie fünf Jahre Arbeit gekostet, zumeist gebeugt über Mikroskope, um kaum fingernagelgroße verfärbte und teilweise zerfallene Textilstückchen zu identifizieren und zu analysieren.

VON LOTTE SCHNEDLER

Johanna Banck-Burgess, 1962 in Hamburg geboren, hat Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Alte Geschichte studiert und ihre Dissertation über die Textilien im Grab des Keltenfürsten von Eberdingen-Hochdorf geschrieben. Es ist ein prächtiges Bild, das die promovierte Archäologin zeichnet. Komplizierte Muster und leuchtende Farben dominieren.

Die Wände der Grabkammer des Keltenfürsten waren mit Tüchern verhängt, der Boden mit einem Gewebe bedeckt. Vielerlei Tücher waren um die Beigaben und den verstorbenen Fürsten drapiert. Die Polster auf der bronzenen Liege des Toten waren aus so exotisch anmutenden Stoffen wie Hanfbast- und Dachshaargewebe angefertigt. Sie dokumentieren die Meisterhaftigkeit des keltischen Textilhandwerks und den hohen Stellenwert der Textilien in der frühkeltischen Grabkultur. "Sie hatten damals den gleichen Wert wie die 600 Gramm Geldbeigaben in dem Fürstengrab'', sagte Landeskonservator Jörg Biel, als er die Arbeit im Keltenmuseum Hochdorf vorstellte. Sie ist unter dem schlichten Titel »Hochdorf IV« im Konrad Theiss Verlag Stuttgart erschienen (294 Seiten, 64 Abbildungen, 34 Tafeln, 128 Mark). Möglich machten das 50.000 Mark aus der Stiftung der Landesgirokasse.

Dieses Buch, betonte Biel, in dem Johanna Banck-Burgess weitere Grabtextilien aus hallstatt- und latènezeitlichen Kulturgruppen einbezieht, "wird wohl in den nächsten 50, 100 Jahren das Standardwerk auf einem bisher vernachlässigten Forschungsgebiet, den Textilien, sein''. Ötzi, der Mann aus dem Gletschereis, wurde weltweit nur deshalb so beliebt, weil er durch die Identifizierung auch der Kleidung aus der archäologischen Anonymität herausgeholt wurde. Die Menschen heute erhielten einen persönlichen Bezug per Informationen. Das hofft Johanna Banck-Burgess auch für den Keltenfürsten von Hochdorf, denn die Textilien aus seinem Grab geben sehr viel über ihn preis. Sein Prachtmantel war eingefärbt mit dem roten Farbstoff von mediterranen Schildläusen, kunstvoll und formvollendet sind auch die Bordüren.

Wie sich die Kelten kleideten - darüber kann man viel in dem Buch erfahren. Doch wie sprachen die Kelten? Wie sah ihre frühe Kunst aus? Das Keltenmuseum Hochdorf ludt zum 9. Zyklus "Keltische Zivilisation'' der Vortragsreihe "Die Welt der Kelten'' ein.

Atrikelübersicht


© 1999 Stuttgarter Nachrichten, Germany