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REGION STUTTGART 17.08.1999



Spürnasen auf der Suche nach dem zweiten Keltengrab

Luftbilder lassen auf weiteren Grabhügel schließen - Archäologen warnen vor übertriebenen Hoffnungen

Eberdingen, Kreis Ludwigsburg - Rund 2500 Jahre ruhte der Keltenfürst unter seinem Grabhügel in Eberdingen-Hochdorf. Er war ein archäologischer Tresor, die Funde erregten weltweit Aufsehen. Seit kurzem graben die wissenschaftlichen Schatzsucher des Landesdenkmalamts wieder.

VON LOTTE SCHNEDLER

Sie suchen einen zweiten Grabhügel und fanden schon eine jungsteinzeitliche Siedlung aus der Zeit um 4000 v. Chr. Der Grabhügel, der sechs Meter hoch ist und im Durchmesser 60 Meter misst, wurde am Fundort wieder aufgeschüttet. Ihn krönt heute ein Fantasiestein. Die Grabstele, die ihn wohl schmückte, wurde noch nicht entdeckt. "Es wäre schon spektakulär, wenn wir sie jetzt im Umfeld des Hügels finden würden'', hofft Landeskonservator Jörg Biel. Aus Luftbildern ist seit 1968 ein weiterer großer Grabhügel bekannt, der unmittelbar nördlich des bereits untersuchten Hügels liegt. "Der Nachweis eines weiteren Grabhügels wäre allerdings ein Glücksfall'', so die promovierte Archäologin Gabriele Kurz als örtliche Grabungsleiterin. Denn auf den fruchtbaren Lössböden des Altsiedellandes sind durch landwirtschaftliche Nutzung und Bodenerosion die meisten obertägigen Bodendenkmale, die also oberhalb des Erdbodens standen, bereits zerstört.

Der Keltenfürst, der auf dem nahen Hohenasperg residierte, wurde um 550 v. Chr. begraben. Gut vier Generationen später, um 400 bis 450 v. Chr., lebten 400 Meter westlich im Bereich des heutigen Keltenmuseums in Hochdorf keltische Nachfahren. Bis 1993 wurde eine komplette Siedlung über fünf Hektar ausgegraben. Unter den Funden waren Scherben einer griechischen Trinkschale, importierte Feigen, 30.000 Tierknochen, darunter die ältesten Nachweise von Hausgans und -ente. Die engen Kontakte zum Mittelmeerraum belegen, dass diese Siedlung damals sehr bedeutend war, deshalb wird weitergegraben. Die Funde sind im Museum dokumentiert und ebenfalls das Modell eines keltischen Gehöfts aufgrund von Originalfunden vor Ort, das derzeit nach einem Brand im Dezember 1998 in Originalgröße wieder aufgebaut wird.

Wenn die Archäologen jetzt beim nördlichen Grabhügeleingang des Keltenfürsten weiter graben, tun sie das nach modernsten wissenschaftlichen Methoden. Das heißt, sie beziehen Erkenntnisse aus keltischen Ausgrabungen in Glauberg/Hessen, aus Grabungen beim Fürstensitz in Heuneburg an der oberen Donau sowie aus dem Grab der Keltenfürsten aus dem französischen Vix mit ein, so Jörg Biel.

Ausgegraben ist und wird derzeit eine jungsteinzeitliche Siedlung, in der um 4000 v. Chr. etwa 300 Menschen lebten. Es waren die ersten Bauern, die sich hier niederließen. Sie waren aus dem Balkan hoch gewandert und brachten domestizierte Wildtiere wie Rind, Schaf und Ziege mit, dazu Getreide wie die Weizensorten Einkorn und Emmer sowie Gerste. Wahrscheinlich zogen sie später weiter, vermutlich weil der Boden ausgelaugt war.

Ihre Abfälle wie Scherben und Tierknochen als Speisereste erzählen heute viel von den Menschen vor 6000 Jahren: Wissenschaftler entschlüsseln das Unbekannte mit modernsten Methoden - und oft auch mit einer Spürnase wie Sherlock Holmes.

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