Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 28.8.2001
Südwestdeutsche Zeitung



Hat das keltische Eisen den Ipf geadelt?

Archäologen finden weitere Indizien für die Existenz eines Fürstensitzes in der Hallstattzeit in Ostwürttemberg

Der Ipf bei Kirchheim am Ries auf der Ostalb steht schon seit langem im Verdacht, ein keltischer Fürstensitz gewesen zu sein. Ausgrabungen in seinem Weichbild scheinen dies nun zu bestätigen. Die Quelle von Macht und Reichtum war wohl das Eisen.

Von Dieter Kapff

Der Ipf ist ein Berg, der mit seinen steilen Flanken wie geschaffen ist für eine Befestigungsanlage. Nur gen Osten fällt das Gelände weniger steil ab. Der Zugang muss dort mit Wällen und Gräben gesichert werden. Die Lage dieses am weitesten vorgeschobenen Zeugenbergs der Ostalb ist markant. Es gehört deshalb nicht viel Fantasie dazu, sich hier eine Burg, einen Herrschaftssitz vorzustellen. Mehrere heute noch deutlich erkennbare Wallanlagen umgeben das 2,4 Hektar große Gipfelplateau und, hangabwärts, eine 11,5 Hektar große Fläche.

Abgesehen von einigen kleinen Sondagen haben an diesem prähistorischen Ort noch keine systematischen Ausgrabungen stattgefunden. Die zeitliche Einordnung der Befestigungsanlagen ist dementsprechend ungenau, von der späten Bronzezeit bis zur Spätlatènezeit, also vom Ende des 2. bis zum Ende des 1. Jahrtausends vor Christus.

Aufhorchen ließ ein Lesefund vom Ipf, eine schwarzfigurige attische Scherbe aus dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts. Denn derart vornehmes griechisches Luxusgeschirr findet sich hier zu Lande nur an späthallstattzeitlichen Fürstenhöfen, die Handelsbeziehungen zu den Kulturen am Mittelmeer unterhielten. Gegen einen keltischen Fürstensitz auf dem Ipf spricht eigentlich nur das Fehlen der im westhallstättischen Bereich üblichen großen Fürstengrabhügel in der Nachbarschaft. Denn das in der Nachbarschaft beim Hof Meisterstall liegende Grabhügelfeld enthält keine derart groß dimensionierten Grabhügel.

Der Luftbildarchäologe Otto Braasch hatte 1998 beim Weiler Osterholz vom Flugzeug aus rechteckige Anlagen entdeckt, die mit Gräben eingefriedet waren. Archäologen des Landesdenkmalamts unter der Leitung von Rüdiger Krause sind diesen Spuren nachgegangen und haben drei ineinander liegende Rechtecke untersucht. Die von Palisaden begleiteten Gräben waren noch mehr als einen Meter tief und bis zu knapp zwei Meter breit. Der längste Graben erstreckt sich in Ost-West-Richtung über hundert Meter, sodass die drei Rechteckanlagen zwischen einem halben und einem Hektar groß sind. In ihrer Form erinnern sie an südbayerische Herrenhöfe der Späthallstattzeit. Diese Siedlungsform reicht bis zum Ries. In Baden-Württemberg ist sie - vielleicht mit einer Ausnahme, auf dem benachbarten Goldberg - nicht nachzuweisen. Dort gibt es statt der Herrenhöfe die Fürstensitze, die man dafür in Bayern vergeblich sucht. Im württembergisch-bayerischen Grenzgebiet, so scheint es, hat schon in prähistorischer Zeit eine politische oder gesellschaftliche Grenze gelegen.

In den drei Rechteckanlagen haben die Archäologen Gruben, Pfostengruben und in die Erde eingetiefte Grubenhäuser untersucht, die im 5. Jahrhundert vor Christus als Werkstätten gedient hatten. Grundrisse von ebenerdigen Wohnhäusern ließen sich wegen der Erosion nicht mehr erkennen.

In den Abfallgruben und Grubenhäusern kamen überraschende Funde zutage. Es sind Scherben von Schüsseln und Schalen mit Rippen und Riefen, die auf der Töpferscheibe hergestellt wurden. Diese heute geläufige Produktionstechnik war in der Späthallstattzeit ganz neu. Das feine Geschirr verrät Einflüsse aus der mediterranen Welt. Nur an keltischen Fürstensitzen, wo Macht und Wirtschaftskraft geballt waren, ist solches Luxusgeschirr hier zu Lande gefunden worden. Ähnliches läßt sich von orangefarbenen Scherben mit einer Goldglimmermagerung sagen, die aus einem Grubenhaus geborgen wurden. Sie gehörten zu einer Amphore, einem großbauchigen Vorratsgefäß, das offenbar aus der griechischen Koloniestadt Massilia (Marseille) stammt, seinen Weg rhôneaufwärts nach Ostwürttemberg gefunden hatte.

Nach diesen Funden aus der Nachbarschaft des Ipf gewinnt die bisher auf eine kleine griechische Scherbe gestützte Vermutung an Gewicht, dass es sich bei dem Zeugenberg vor der Ostalb tatsächlich um einen keltischen Fürstensitz gehandelt hat. Von hier aus sind im 6. und 5. Jahrhundert weit reichende Handels- und politische Beziehungen unterhalten worden.

Fragt man nach den Grundlagen von Macht und Reichtum des Keltenfürsten vom Ipf, so ist die günstige verkehrspolitische Lage zu nennen, die den Zugang von Osten ins Neckarland zwischen Fränkischer und Schwäbischer Alb beherrscht. Wie die Ausgrabungen ergeben haben, spielen aber auch Eisenerzvorkommen in der Umgebung eine wichtige Rolle. Eisen war in der frühen Eisenzeit sehr wertvoll. Immer wieder stießen die Archäologen auf natürliche Eisenerzkrusten und -flöze im Braunen Jura, wie sie etwa in Wasseralfingen bis ins 20. Jahrhundert hinein abgebaut wurden. Außerdem fanden sich Reste der hallstattzeitlichen Eisenverhüttung im Umfeld des Ipf. So hat wohl das Eisen den Ipf "geadelt'', wie Krause urteilt.

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