Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 25.7.2001
Hintergrund



Um Troia wird wieder gekämpft

Manfred Korfmann unter Druck

Stuttgart - Manfred Korfmann hat einen Traum: Nach Troia, so die Vision des Tübinger Archäologen, sollen die weltweit in 50 Städten - davon in 38 deutschen Museen - verstreuten Funde aus den bisherigen Grabungskampagnen am Hügel Hisarlik zurückkehren. In der Realität indes kämpft Korfmann um seinen Ruf. Wissenschaftlerkollegen werfen ihm vor, eine "Fiktion'' geschaffen zu haben.

VON NIKOLAI B. FORSTBAUER

"Troia - Traum und Wirklichkeit'' heißt die Ausstellung, die ein vorläufiges Fazit von Korfmanns Forschungen zieht. Derzeit in Braunschweig zu sehen, lockte sie bereits zum Start in Stuttgart 250 000 Besucher an.

In allzu bunter Vielfalt, so die Kritik auch unserer Zeitung an der Konzeption, vermittle Korfmann - seit 1982 Direktor des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen - sein Troia-Bild. Kernthese des Forschers: "Troia war eine anatolisch geprägte Stadt'', die identisch war mit Wilusa, einer Metropole des hethitischen Großreiches. Troia sei ein idealer Siedlungsplatz zwischen zwei Kontinenten und Meeren gewesen, der schließlich zu einer Handelsmacht mit einer Stadtgröße von 270000 Quadratmetern anwuchs.

Eben diese These bezeichnet Frank Kolb, Ordinarius für Alte Geschichte in Tübingen, als "völlig absurd''. Auch wenn er auf Nachfrage von seiner Aussage abrückt, Korfmann sei der "Däniken der Archäologie'', so hält er dessen Forschungsergebnisse doch weiterhin schlicht für eine "Fiktion''.

Ist Korfmann also auf einem Irrweg? Der Archäologe, der seit 1988 eine persönlich an ihn gebundene Grabungslizenz des türkischen Staates besitzt und seit Wochen wieder am Hisarlik arbeitet, weist Kolbs Vorwürfe zurück. Derzeit würden Häusermauern der vom Forscherkollegen zur Diskussion gestellten Unterstadt ausgegraben, so Korfmann.

Um Troia wird wieder gekämpft - aber mit welchem Ziel? Immer wieder wird hinter den Kulissen die von Korfmann ins Spiel gebrachte "anatolische Prägung'' genannt. Korfmann, so der Verdacht, benütze die Troia-Grabungen dazu, seinen Traum eines - auch von konkurrierenden Kollegen angestrebten - Troia-Museums vor Ort zu realisieren. Die dafür notwendige Rückendeckung des türkischen Staates verlange entsprechende "politische'' Zuschreibungen. Der Expertenstreit hat offenkundig einen sehr weltlichen Hintergrund.

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