Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 19.2.2001
Südwestdeutsche Zeitung



Nach hundert Jahren wird der römische Limes neu vermessen

Bodendenkmal soll als Weltkulturerbe anerkannt werden - Moderne Technik macht dem "Limesbegeher'' die Arbeit leichter

AALEN. Mit Antenne und Computer geht ein Archäologe des Landesdenkmalamtes in diesen Tagen den obergermanisch-rätischen Limes entlang. Für den Antrag an die Unesco, den Grenzwall als Weltkulturerbe registrieren zu lassen, sind neue Daten nötig.

Von Annegert Bock

Mit seiner Länge von 550 Kilometern zwischen Rhein und Donau ist der obergermanisch-rätische Limes das größte archäologische Bodendenkmal in Europa. Die angrenzenden Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern bemühen sich, den 1800 Jahre alten Grenzwall der Römer als Weltkulturerbe eintragen zu lassen. Dafür muss der Limes neu vermessen werden. Und da die längste Strecke mit 164 Kilometern durch Baden-Württemberg führt, hat das Landesdenkmalamt bei dem Projekt die Federführung übernommen.

Koordinator des Projekts Weltkulturerbe Limes ist Andreas Thiel im Stuttgarter Landesdenkmalamt. Er sorgt dafür, dass die Arbeiten in den vier beteiligten Ländern sich an den gleichen Vorgaben orientieren. Bis Februar 2003 muss der Antrag in Paris sein, damit die Unesco den Limes frühestens im Jahr 2004 in ihre Liste aufnehmen kann. Sicher ist das freilich nicht, betont der Leiter des Landesdenkmalamtes, Professor Dieter Planck.

Doch selbst wenn sich diese Hoffnungen nicht erfüllen sollten, ist für die Wissenschaftler das Projekt von großem Interesse, betont Planck, der einst selber am Limes im Ostalbkreis gegraben hat. Denn das Kartenmaterial des Limes beruht praktisch auf der Arbeit der Reichslimes-Kommission, die zwischen 1892 und 1904 den Limes erstmals wissenschaftlich vermessen hat. Das sei "eine große Leistung'' gewesen, betont Planck, "es gibt nichts Vergleichbares''. Schon damals freilich mussten die Mitglieder der Reichs-Limes-kommission häufig ihre Karten mit dem Lineal ergänzen. Dass die Römer schnurgerade über Höhen und Täler hinweg ihre Grenze bauten, verwundert bis heute. War der Limes wirklich so gerade?

Seit dem 14.August 2000 geht der Archäologe Thomas Becker dieser Frage buchstäblich mit den Füßen nach. In Baden hat er begonnen, den Limes abzugehen, ausgerüstet mit Fotoapparat und Kartenmaterial. Im Ostalbkreis wird ihm jetzt die Arbeit maßgeblich erleichtert. Die vor drei Jahren gegründete Ostalbstiftung hat dem Landesdenkmalamt ein computerunterstütztes Geoinformationssystem finanziert. Jetzt läuft Becker mit einer Antenne und einem kleinen Computer durch die Landschaft. Pro Tag schafft er etwa fünf Kilometer. Der Ostalbkreis hat mit 62 Kilometern zwischen Lorch und der bayerischen Landesgrenze den längsten Limes-Abschnitt im Land Baden-Württemberg. Mit dem Messgerät wird die Begehung praktisch zur Neuvermessung und liefert damit auch die Grundlagen für neues Kartenmaterial.

Praktisch geht Becker allerdings genauso vor wie die Reichs-Limeskommission, auf deren handgemalten Karten auch seine Untersuchung fußt. Er orientiert sich an den Hinterlassenschaften des Limes, die heute in der Landschaft noch sichtbar sind, beispielsweise die berühmte "Teufelsmauer'' bei Schwäbisch Gmünd. Insgesamt haben die Römer 167 Kilometer ihrer Grenzbefestigung als Steinmauer gebaut.

Becker kann heute, wenn er nach Resten des Limes sucht, mit dem Auto zum nächstgelegenen Wanderparkplatz fahren. Dann freilich geht's querfeldein, bergauf und bergab. Seinen jeweiligen Standort kann Becker mit dem Geoinformationssystem exakt bestimmen und in Koordinaten eingeben, die direkt in den Computer beim Landesdenkmalamt weitergeleitet werden. So entstehen exakte Pläne und Zeichnungen, obwohl viele Teile des Limes, der angrenzenden Militärstraßen, 100 Kastelle und Dörfer inzwischen überbaut oder zerstört wurden. Becker muss häufig Hausbesitzer fragen, ob er in ihrem Garten nach dem Limes suchen kann. Noch viele römische Hinterlassenschaften sind unentdeckt und schlummern unter der Erde. Entlang des Limes haben die Römer fast 900 Wachttürme gebaut. Zwei Turmstellen, die heute eher wie eine Ansammlung von Feldsteinen aussehen, hat Becker bei seiner Begehung schon wieder entdeckt.

Entlang der alten Grenzlinie hofft man auf das Prädikat Weltkulturerbe, weil man den Limes dann besser touristisch vermarkten kann. Seit 1996 haben sich die angrenzenden Kommunen und Landkreise zum Verein Deutsche Limes-Straße zusammengeschlossen. Die Zentrale ist in Aalen, Vorsitzender ist Oberbürgermeister Ulrich Pfeifle. Die Neuvermessung dient nach Plancks Darstellung aber auch dem Schutz des unwiederbringlichen Kulturdenkmals. So soll es in Abstimmung mit den anderen Bundesländern einen Managementplan geben, mit dem man einer weiteren Zerstörung vorbeugen will.

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