Artikel aus den
Stuttgarter Nachrichten
vom 13.8.2001
Nachbarkreise



Stadt schützt architektonisches Kleinod

Schnödenecksiedlung: Gestaltungssatzung soll Umbausünden vermeiden

Sindelfingen - Was für Stuttgart der Weißenhof, ist für Sindelfingen die Schnödenecksiedlung. Die Wohnanlage mit 80 Doppel- und Reihenhäusern ist ein architektonisches Schmuckstück, wie es das nur noch selten gibt. Doch das Erbe aus den 20er Jahren kann mehr Last denn Lust sein. Vor allem der Erhalt der Häuser ist schwierig.

VON GABRIELE KIUNKE

Gegenüber der Stadthalle zwischen Schiller- und Uhlandstraße reihen sich die kleinen eingeschossigen Häuschen aneinander. Viele sind liebevoll hergerichtet mit Sprossenfenstern und Fensterläden. Die Gärten fallen für heutige Reihenhausverhältnisse ungewöhnlich groß aus. Doch in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Siedlung gebaut wurde, dienten sie vor allem der Selbstversorgung. Damals herrschte in Sindelfingen große Wohnungsnot als Folge der Industrialisierung der Stadt nach dem Ersten Weltkrieg. Die Gründung des Bau- und Sparvereins Sindelfingen 1919 sollte einfachen Bürgern und Arbeitern einen Hauskauf am Schnödeneck ermöglichen.

Entworfen wurde die Siedlung von dem Stuttgarter Architekturprofessor Paul Schmitthenner, der zur so genannten Stuttgarter Schule gehört. Neben den einfachen Hausformen mit etwa 100 Quadratmetern sind die Walm- und Schopfwalmdächer, Fledermausgauben und die als Biberschwänze bezeichneten Dachziegel typisch für diesen heimatverbundenen Baustil.

In ihrer Gesamtheit hat die Anlage die Jahre ohne Abrisse und Neubauten überstanden. Von der Ursprünglichkeit der Häuser ist indes vieles verloren gegangen. Großflächige dunkle Fenster, hässliche An- und Umbauten im Dach und im Garten zeugen von den Modernisierungssünden in den 60er und 70er Jahren. Seit die Häuser 1982 unter Denkmalschutz gestellt wurden, blieben größere Entgleisungen zwar aus, doch der Teufel steckt im Detail. Für viele Fragen wie etwa die Fassadenfarbe oder Fensterform fehlten bisher die Vorgaben. So kam es, dass der eine Rollläden installierte, der andere eine Satellitenschüssel brauchte und der dritte ein Markise anbrachte. Um hier einheitliche Richtlinien zu bekommen, hat die Stadt jüngst eine Gestaltungssatzung beschlossen, die solche Detailfragen für künftige An- und Umbauten regelt. Doch diese Satzung ist umstritten. "Manche wollen einen Schutz, andere lieber die Freiheit, über ihr Haus verfügen zu können'', berichtet Eberhard Scheel vom städtischen Planungsamt über den "schwierigen und langwierigen Arbeitsprozess'', an dem auch engagierte Bewohner beteiligt waren.

Mit der Satzung will die Stadt auch Ausrutschern, wie es sie in der Vergangenheit gab, einen Riegel vorschieben. Manch ein Bewohner setzte sich in den vergangenen Jahren einfach über die Auflagen des Denkmalamtes hinweg. Besonders ärgerlich war für die Nachbarn, dass solche Vergehen "für den Verursacher keine Konsequenzen hatten'', kritisiert ein Anwohner die fehlende Kontrolle durch Stadt und Denkmalamt.

Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt für Renovierungen wird es wohl nicht wieder geben. "Ich habe wenig Hoffnung'', dämpft Scheel entsprechende Erwartungen. Bis Mitte der 90er Jahre zahlte Sindelfingen noch bis zu 50 Prozent der Kosten.


Atrikelübersicht


© 1997-2001 Stuttgarter Nachrichten online - Stuttgart Internet Regional GmbH