Stuttgarter Zeitung Kreis Göppingen 14.1.2000



Gnadenfrist für alte Weberei auf Otto-Areal

Ein Vertrag teilt die Gebäude des Wendlinger Industriedenkmals in Kategorien ein

WENDLINGEN. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag soll die künftige Nutzung des Wendlinger Otto-Areals erleichtern (Kreis Esslingen). Die Vereinbarung enthält für 22 Gebäude oder Gebäudeteile verbindliche Qualifizierungen.

Von Gunther Nething

Das 85000 Quadratmeter große Gelände hatte vor geraumer Zeit für Schlagzeilen gesorgt, als die Eigner mit Plänen für einen Schnäppchenmarkt (¸¸Factory outlet'') an die Öffentlichkeit traten und in diesem Zusammenhang auch kulturelle und gastronomische Nutzungspläne für markante, denkmalgeschützte Gebäude entwickelt worden waren. Das Vorhaben scheiterte an der Gesetzeslage, und als die Vermarktungsgesellschaft HOS beim Landratsamt für insgesamt ein Dutzend Objekte Abrissanträge gestellt hatte, kam sie mit sieben Anlagen durch, bei fünf biss sie wegen des Denkmalschutzes auf Granit.

Prompt folgte der Widerspruch des Unternehmens, und das Regierungspräsidium (RP) hatte zu entscheiden. Die Oberbehörde, so gestern Regierungspräsident Udo Andriof bei der Vertragsunterzeichnung, wollte dabei der Firma nochmals die Chance einräumen, anhand von Wirtschaftlichkeitsberechnungen ihre Sichtweise darzustellen. Als Folge des Widerspruchsverfahrens ist der Abbruch des Kessel- und Turbinenhauses genehmigt worden, der Weberei hat man eine Gnadenfrist eingeräumt: Findet sich bis Ende August kein Nutzer, so droht auch hier die Abrissbirne.

Gerade die Weberei aber ist nach Einschätzung von Professor Dieter Planck, dem Chef des Landesdenkmalamts, das ¸¸Herzstück'' eines auch sonst ¸¸hochkarätigen Ensembles''; so trage beispielsweise die Spinnerei, die laut Vertrag bis auf den Anbau erhalten werden muss, die Handschrift des bekannten Industriearchitekten Manz. Planck war mit bei der Vertragsunterzeichnung im ebenfalls zu erhaltenden Verwaltungsgebäude; von der ¸¸Presseöffentlichkeit'' wiederum verspricht sich RP-Chef Andriof eine große Resonanz, die dann auch der Weberei Interessenten verschafft.

Landrat Hans Peter Braun kritisierte unüberhörbar, dass die Firma HOS ihre Berechnungen nicht schon früher eingereicht habe, nunmehr aber stehe man hinter der Sache. Ebenso wertete Wendlingens Bürgermeister Andreas Hesky den Vertrag als eine ¸¸Basis, über die man froh sein'' könne. Und auch der geschäftsführende HOS-Gesellschafter Armin Knauer zeigte sich ¸¸froh und zufrieden mit der rechtlichen Klarstellung''. Sein Unternehmen stelle sich ¸¸der Pflicht, ein Denkmal zu erhalten'', aber man dürfe beispielsweise bei der Nutzung der Weberei als Galerie die Stadt Wendlingen nicht mit Stuttgart-Mitte verwechseln.

Schmunzeln erweckte Knauer mit seiner Forderung nach einer größeren kommunalen Einheit, einer Art Neckarstadt. Wo doch noch nicht einmal jeder Unterboihinger selbst nach 60 Jahren den Verlust der Selbstständigkeit verschmerzt hat.

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