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STUTTGART 4.2.2000



Stadt will Villa Gemmingen versilbern

Denkmalamt zieht im Jahr 2002 aus - Noch kein Konzept für künftige Nutzung

Der Wegzug des Landesdenkmalamtes ins ehemalige Schelztor-Gymnasium in Esslingen ist beschlossene Sache. Was von 2002 an mit der Villa Gemmingen in der Mörikestraße, bisheriges Hauptdomizil der Behörde, geschieht, steht dagegen in den Sternen.

VON CLAUS HAUENSCHILD

Bis zum Sommer will Wirtschaftsbürgermeister Dieter Blessing ein Nutzungskonzept für die größte und schönste noch in städtischem Besitz befindliche Villa aus der Gründerzeit vorlegen. Die Verwaltung liebäugelt mit einem Verkauf dieses ¸¸Tafelsilbers''. Schon seit vielen Jahren lässt es sich die Stadtverwaltung angelegen sein, Villen in schöner Lage ¸¸behördenfrei'' zu machen. Blessing: ¸¸Es gibt Anfragen, aber wir können uns noch Zeit lassen.'' Allerdings will sich die Stadt eine Nutzung für bestimmte Veranstaltungen vertraglich vorbehalten. Die letzte Entscheidung fälle freilich der Gemeinderat. Zuvor allerdings sollen die betroffenen Ausschüsse in die Überlegungen der Verwaltung einbezogen werden.

Stadtrat Michael Kienzle von Bündnis 90/Die Grünen sieht die Verhandlungen dagegen schon ziemlich weit fortgeschritten. Eigentlich warte er schon seit Januar darauf, dass das Thema im Wirtschaftsausschuss auf der Tagesordnung erscheine. Der Grünen-Stadtrat schätzt, dass sich der Wirtschaftsbürgermeister erst dann aus der Deckung begibt, wenn er einen handfesten Vorschlag machen kann.

Kienzle und seine Fraktion haben denn auch vorsorglich den Antrag gestellt, die Villa, das Torhaus und den Park nicht zu veräußern oder auf Dauer gewerblich zu vermieten. Ihnen schwebt vielmehr eine museale Nutzung vor, zusammen mit dem in der Nachbarschaft angesiedelten städtischen Lapidarium. Kulturelle Veranstaltungen der Innenstadtbezirke könnten ebenfalls in der Villa stattfinden. Auch könnte die Stadtgeschichtliche Sammlung, bisher im Tagblatt-Turm der Öffentlichkeit zugänglich, an der Mörikestraße eine Bleibe finden, lässt Kienzle seinen Gedanken freien Lauf. Da im Tagblatt-Turm kein Platz mehr für die Ausstellung ist und im Wilhelmspalais frühestens dann, wenn die Stadtbücherei den geplanten Neubau auf dem Stuttgart-21-Areal bezogen hat, würde die ausstellungslose Zeit durch einen Umzug in die Villa wesentlich verkürzt.

Schon gleich gar nicht wollen die Grünen, dass der zur Villa gehörende Park der Öffentlichkeit durch einen Verkauf vorenthalten wird. Über einen Zugang und eine Bewirtschaftung müsse man reden.

Viele Vorschläge sind in den letzten Jahren für die Nutzung der 1856 für den Stuttgarter Bankier und Kaufmann Friedrich Kapff erbauten Villa gemacht worden: Das Literaturhaus, das im Bosch-Areal einziehen wird, war ebenso im Gespräch wie ein Museum, das der Stuttgarter Auktionator und Kunstsachverständige Gert K. Nagel für seine eigene Sammlung sucht. Denn es war von Anfang an klar, dass der Mietvertrag mit dem Landesdenkmalamt nicht über das Jahr 2002 hinaus verlängert wird.

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