Keltische Viereckschanze von Oberesslingen

Logo Monument/DenkmalGeschütztes Denkmal
 
 
Viereckschanze beim Jägerhaus, Oberesslingen
Stadt Esslingen, Baden-Württemberg (Deutschland)

 

Die keltische Viereckschanze liegt mit einer kleinen Grabhügelgruppe in beherrschender Höhenlage in 473 m ü.N.N. hoch über dem Neckar auf dem Schurwald, etwa 1,1 km südöstlich des »Jägerhauses« im Stadtwald Braunhalde, Abteilung Burgstall. Von hier hat man - vom Waldbestand abgesehen - einen beeindruckenden Blick auf die Filderebene und den Trauf der Mittleren Alb.

Die Viereckschanze wird mit dem in Oberamtsbeschreibung Esslingen von 1845 genannten »Burgstall«, der in der Nähe des Weilers Kimmichsweiler gelegen haben soll, in Verbindung gebracht. Der Name Burgstall wurde auch im Topographischen Atlas des Königreichs Württemberg von 1868 für die Schanze verwendet und die Waldabteilung trägt heute noch diesen Namen.

Im Jahre 1877 wurde die Anlage von Eduard Paulus als römische Schanze bezeichnet. Die erste topographische Aufnahme ist im Jahre 1902 von Major Steiner erstellt worden. Heute wissen wir, dass es sich bei diesen Wall-Graben-Anlagen nicht um Schanzanlagen im militärischen Sinne handelt, sondern um keltische Anlagen - befestigte Höfe oder Mittelpunkte einer Siedelgemeinschaft - aus der Zeit des 3./2. Jahrhunderts vor Christus. Lange Zeit galt allerdings auch die Oberesslinger Viereckschanze als ein Beispiel für die Interpretation dieser Anlagen als Heiligtümer und Kultplätze.

Form und Erhaltung der Viereckschanze

Plan der keltischen Viereckschanze von Oberesslingen

Die Anlage weist einen leicht trapezförmigen Grundriss mit Seitenlängen im Osten 85 m, im Westen 102 m, im Norden 123 m und im Süden 125 m auf. In der Südseite befindet sich eine Unterbrechung des Walles für den Tordurchgang. Die Innenfläche beträgt etwa 1,15 Hektar. Die Wälle und der Graben sind stark verflacht und der Graben ist heute nur noch als flache Mulde erkennbar. Die Wälle sind noch bis um 1 m hoch erhalten, dagegen beträgt der Höhenunterschied von den überhöhten Ecken zur Grabensohle noch bis um 2 m.


Erkenntnisse aus archäologischen Ausgrabungen

Keltische Viereckschanze von Oberesslingen - TorbautenAusgrabungen wurden in den Jahren 1922 und 1924 durch das damalige Landesamt für Denkmalpflege von Gerhard Bersu durchgeführt. Sie beschränkten sich wegen der vielen Bäume auf eine Reihe kleiner Schnitte, die Bersu meist in den Ecken und im Torbereich an der Südseite anlegte. Lediglich drei Schnitte galten Wall und dem Graben, der als 5 m breiter und 2 m tiefer Spitzgraben ausgeführt ist. Aus den untersten Einfüllschichten stammen jeweils einige keltische Scherben, welche die Datierung der Anlage in keltische Zeit bekräftigten. In der etwa 2,3 m breiten und 4 m tiefen Unterbrechung des Walles an der Südseite konnte Bersu eine Schotterung feststellen. In wenigen Schnitten fand er mehrere Pfostengruben eines Torbaues, der sich zu einem rechteckigen Grundriss mit 12 Pfosten und etwa 4 x 7 m Größe rekonstruieren lässt. Der Graben ist vor dem Tor nicht unterbrochen, sondern läuft durch, so dass er durch eine Holzbrücke überspannt gewesen sein muss.
In der Südwestecke konnte Bersu dicht innerhalb des Walles mehrere Pfostengruben und aus Sandsteinplatten gesetzte Punktfundamente eines rechteckigen, 17 m langen und 8 m breiten Gebäudes freilegen. Solche Eckbauten sind typisch für die Innenbebauung von Viereckschanzen und gaben neben den Schächten immer wieder Anlass zu Diskussion und Funktion dieser Gebäude und der Anlage selbst.
Ergänzt man den Grundriss durch weitere Pfostenstellungen, so könnte es durchaus der Grundriss eines 15 x 17 m messenden Großbaus sein. Solche nahezu quadratischen Eckbauten sind in Viereckschanzen immer wieder als Umgangstempel interpretiert worden.

In der Forschungsgeschichte zu den Viereckschanzen nahm deshalb die Oberesslinger Anlage neben anderen Beispielen eine wichtige Stellung für die Interpretation der Viereckschanzen als Kultanlagen ein. Allerdings ist die Interpretation des Oberesslinger Eckgebäudes als Umgangstempel problematisch. Wie mittlerweile andere gut ausgegrabene Beispiele solcher Bauten zeigen, entspricht der Grundriss von 17 x 15 m anderen großen, rechteckigen Bauten in Viereckschanzen, die zum Grundrissschema der Innenbebauung gehören.

Text: Dr. Rüdiger Krause - HTML: Dr. W.M.Werner - Abbildungen nach: Bittel/Schiek/Müller, Keltische Viereckschanzen. Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg, 1:1 (Stuttgart 1990)
 

 

[Archäologie in Baden-Württemberg] - [zur HomePage]
 

  24. Juli 2000 - Dies ist eine private Seite. Für Fragen oder Anregungen:
Wolfgang M. Werner wmwerner@web.de